Die Kulturbranche ist glamourös, aufregend und voller schillernder Persönlichkeiten. Doch wagen Sie einen Blick hinter die Kulissen, sieht die Welt oft ganz anders aus. Was auf der Bühne als perfekte Harmonie erscheint, entpuppt sich hinter den Kameras und Scheinwerfern oft als subtile Arena aus Konkurrenz, Missgunst und Eifersucht.
Konkurrenz: Ein Wort, viele Beispiele
Ich habe einige Jahre unter anderem im Bereich Künstler-Projekt-Management gearbeitet und war immer wieder erschrocken, wie viele Kindergartenkämpfe dort ausgetragen wurden. Natürlich habe ich diese Welt auch geliebt: Das Drama, den Glamour, die kreative Energie. Aber immer wieder wurde mir bewusst, wie tief die Konkurrenzgedanken in vielen verankert sind. Das läuft meistens dazu noch unbewusst ab. Das Lächeln oft aufgesetzt, Komplimente nicht immer ehrlich. "Mit dem spiele ich nicht!" und das wirklich wörtlich gemeint.
Hinter der Bühne herrscht selten echte Solidarität. Kollegen, die sich vordergründig unterstützen, reden hinter dem Rücken doch anders. Ich habe das unzählige Male erlebt. Und es war nicht nur mein Eindruck. Kollegen erzählten mir Ähnliches. Aus ganz unterschiedlichen Branchen wie Musik, Theater, Film. Konkurrenzdenken vergiftet, macht unzufrieden und raubt Energie. Und meistens ist es nicht mal wirklich klar, dass es im Grunde nur darum geht. Ausgetragen wird es auf vielen Ebenen und ist nicht immer leicht zu erkennen.
Giftpfleile kurz vor dem Auftritt
Auch auf der Bühne, wenn ich mit anderen Moderatoren und Künstlern zusammenarbeite, begegne ich ihr immer wieder: der Konkurrenz, der unterschwelligen Geringschätzung, den kleinen Sticheleien. Ich stehe hinter der Bühne, fokussiert, bereit für meinen nächsten Auftritt. Neben mir wartet bereits der Künstler, den ich gleich ankündigen werde. Er lehnt sich zu mir herüber und sagt mit einem süffisanten Lächeln: „Aber bitte nicht so lange reden, ja? Mach’s ganz kurz.“
Ich bin perplex. Wütend zu reagieren wäre jetzt fatal, meine Stimmung würde kippen und das Publikum spürt so etwas. Also atme ich tief durch, trete auf die Bühne und bin es trotzdem. Wütend. Gekränkt. Irritiert.
Ein anderes Mal, wenige Minuten vor einer Show. Ich gehe in Gedanken meine Anmoderation durch, als zwei Damen mich ansprechen.
„Wann können wir denn die Blumen überreichen?“
Ich: „Nach der Laudatio.“
Die beiden: „Was? Du hältst die Laudatio noch mal? Die ganze?“
Ich: „Natürlich. Das Konzert ist eine Wiederholung, die Lieder sind ja auch dieselben.“
Noch eine Minute bis zum Auftritt. Ich bin verunsichert. Mein Flow gerät ins Wanken, meine Selbstsicherheit ist angekratzt. Die erste Anmoderation
läuft holprig. Bei der zweiten bin ich wieder in meinem Element, aber der Start hätte souveräner sein können.
Solche Momente passieren immer wieder. Während einer Show, in der jeder Satz sitzen muss, jedes Timing entscheidend ist, kommen sie. Diese kleinen Spitzen, gezielten Nadelstiche, unpassend und destruktiv. Sie sind nicht wohlmeinend, nicht hilfreich, sie sind Ausdruck von Konkurrenz, Unsicherheit, vielleicht sogar Neid. Und sie hinterlassen Spuren.
Auch im Vorfeld bei der Vorbereitung zu einer Veranstaltung lauern solche kleinen Stolperer. "Bitte moderieren SIe mich nicht an, das mache ich selbst. Wissen Sie, ich bin ja auch Moderator." - häh? Was haben die denn dann nicht verstanden, frage ich mich. Auch in dem Fall ist doch eine gute und charmante Anmoderation ein wichtiger Auftakt... Manchmal merken die Menschen das dann auch und werden wieder friedlich, schalten um. Freuen sich dann doch über die Zusammenarbeit, schalten die Neid-Gedanken wieder ab, besinnen sich zurück und sind dann am Tag der Veranstaltung umgänglich und kollegial. Machmal...
Vom Kollegen zum Neider
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr solcher Erlebnisse fallen mir ein. Viele vergesse ich schnell wieder und das ist wahrscheinlich auch besser so. Aber ein Beispiel bleibt mir besonders in Erinnerung:
Ich bin als Gast zu einer Unterhaltungsshow eingeladen, freue mich auf einen entspannten Abend und darauf, einen Künstler live zu erleben, der vor einiger Zeit Talkgast in meiner eigenen Show war. Vielleicht ergibt sich ja ein nettes Gespräch, ein Wiedersehen mit angenehmer Atmosphäre. Und tatsächlich: Kaum betrete ich den Raum, kommt er mir direkt entgegen. Ich lächle und sage freundlich: „Hallo, [den Namen mölchte ich hier nicht nennen]!“ Er schaut mich nicht einmal richtig an, murmelt ein knappes „Hallo!“ und geht weiter.
Ich denke mir, vielleicht Lampenfieber? Ein schlechter Tag? Kein Problem, nach der Show ergibt sich bestimmt eine bessere Gelegenheit. Doch dann sehe ich ihn wenige Minuten später mit Fans scherzen, lachen, Selfies machen, entspannt, charmant, präsent. Also fasse ich mir ein Herz, gehe noch einmal zu ihm. „Hast du mich eben nicht erkannt?“ Er schaut mich an und sagt abwehrend und sehr unfreundlich: „Doch. Aber was soll ich denn sagen? Was soll ich denn sagen??“ Dann dreht er sich um und geht. Ich stehe da, wie ein begossener Pudel. Der Abend ist für mich gelaufen.
Am nächsten Tag rufe ich meinen Vater an und erzähle ihm die Geschichte. Warum war er so zu mir? Wir hatten keine Konflikte und eine tolle gemeinsame Zeit damals. Habe ich etwas übersehen? Du hast unseren Talk doch damals verfolgt.... Mein Vater überlegt kurz und sagt dann: „Wenn du es dir nicht erklären kannst, ist es oft das Naheliegendste. Der ist neidisch auf dich.“ Neid? Auf mich? Das hätte ich nie gedacht. Aber was bringt es? Wem hilft es?
Lieber gar nichts als mit dir zusammen
Noch ein Beispiel? Mir fallen locker ein Dutzend mehr ein. Aber nehmen wir eines mit einer etwas anderen Nuance:
Pandemie. Lockdown. Alle Künstler im Leerlauf. Da bekomme ich eine Anfrage von einer großen Firma. Sie möchten einen Künstler, den ich betreue, für einen Weihnachtssong auf Social Media buchen. Problem: Der Künstler findet in seinen eigenen Reihen keine Kooperationspartner. Es ist zu kurzfristig, das Budget nicht attraktiv genug, und keiner hat Lust, im Lockdown zu reisen.
Also sage ich: Kein Problem, ich mach das mit dir! Ich filme das Ganze, produziere die Clips, du schreibst den Song, und wir stellen uns einfach an verschiedene Orte in Bielefeld und singen zusammen. Mein kreatives Herz schlägt schneller, die ersten Ideen sprudeln, ich will am liebsten direkt loslegen.
Und dann kommt die Antwort: „Warum soll ich mich mit dir vor die Kamera stellen?! Da tue ich doch nur dir einen Gefallen!" verbunden mit der Bitte, den Auftrag abzusagen.
Unfassbar, oder? Da verzichtet jemand auf einen bezahlten Auftrag, den er alleine nicht umsetzen kann, den wir gemeinsam aber stemmen könnten, nur um zu verhindern, dass ich irgendwie davon profitiere. Dabei wusste niemand, ob das ein viraler Hit wird oder einfach eine solide Auftragsarbeit. Aber lieber gar kein Geld verdienen, als etwas teilen. Und die unterschwellige, nicht ausgesprochene Botschaft? „Ich bin doch viel berühmter und wichtiger als du. Du willst dich ja nur in meinem Glanz sonnen!“
Hammer, oder?
Gut gekonnt kontern
Heute weiß ich, es gibt unter anderem einen eleganten Weg, solchen Situationen die Schärfe zu nehmen, ohne sich kleinzumachen. Der Satz passt jetzt sicher nicht für alle Situationen von oben, aber manchmal ist er Gold wert:
„Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck vermittelt habe, dass Sie so mit mir sprechen können.“
Diesen Satz habe ich aus dem Buch 50 Sätze, die das Leben leichter machen von Karin Kuschick. Er ist verblüffend wirksam. Ruhig, freundlich, mit sanftem Lächeln ausgesprochen und schon kippt die Dynamik. Ihr Gegenüber hält inne, muss nachdenken, das Gespräch nimmt eine neue Richtung. Und Sie selbst? Bleiben souverän, ohne anzugreifen.
Probieren Sie es mal aus. Und wenn es funktioniert, schreiben Sie mir. :)
Die Lösung: Selbstreflektion
... oder wie die wunderbare Bestsellerautorin und Psychologin Stefanie Stahl immer sagt "Ertappe dich und schalte um!"
Ich bin davon überzeugt: Kooperation ist der bessere Weg. Und ich arbeite daran, mich nicht von negativen Gedanken einnehmen zu lassen. Immer wieder. Weil es sich lohnt. Denn seien wir ehrlich: Wenn uns Neid überkommt, liegt das Problem nie bei den anderen. Es liegt an uns selbst. Vielleicht fühlen Sie sich unfair behandelt? Vielleicht haben Sie Angst, nicht gut genug zu sein? Vielleicht zweifeln Sie an Ihrem eigenen Erfolg? Wenn Sie sich ärgern und wütend werden kann es sein, dass jemand nur gerade (absichtlich vielleicht sogar, oder eher aus Versehen) seinen Finger auf die Wunde gelegt hat. Das löst natürlich noch nicht das Problem, wenn andere uns Neid entgegenbringen. Manchmal hilft es aber, das in dem Moment einfach laut auszusprechen und dem Gegenüber einen Spiegel hinzuhalten.
Bei sich selbst hilft es, innezuhalten und sich selbst zu hinterfragen: Ist mein Unmut wirklich berechtigt oder sitzt mein größter Feind einfach nur zwischen meinen beiden Ohren? Woody Allen hat das einmal treffend formuliert. Und es stimmt. Je mehr ich daran arbeite, desto weniger kann mich dieses Denken beeinflussen. Und wenn doch, dann nur noch kurz. Ich ertappe mich dabei und wechsle die Richtung. Das kann man üben und wird jedes Mal besser darin.
Übung macht den Meister: Bleiben Sie cool! Bleiben Sie freundich!
Es läuft ähnlich wie bei allen Routinen. Zum Beispiel Komplimente machen. Das hatte ich mir vor einige Zeit mal vorgenommen, mehr Loben, einfach mal etwas Nettes sagen. Zur Begrüßung, einfach mal zwischendurch als "Snack" sozusagen oder auch beim Abschied. Anfangs musste ich überlegen, mir etwas einfallen lassen. Heute sprudelt das manchmal aus mir heraus und ich weiß gar nicht, woher das auf einmal kommt. Neulich auf einer Party im Begrüßungs-Zeremoniell, viele Leute kommen gleichzeitig an. Ich lauthals und mit großer Begeisterung: "Du hast ja ein toll gebügeltes Hemd an.Wahnsinn. Total glatt und schick. Steht dir." Mein Gegenüber ist vollkommen irritiert. Weiß nicht, ob ich einen Witz mache oder ob es ein Kompliment ist und wie er jetzt damit umgeht. Wir kommen ins Gespräch. Er entscheidet sich dafür, das Kompliment anzunehmen. Wenn auch zögerlich. Aber er freut sich. Und ich denke hinterher: Wo kam das denn jetzt aus mir plötzlich her? Muss wohl eine neue Routine sein. Ich freue mich ein wenig über mich und denke: Ja. So mache ich das mal weiter. Klappt. Tut auch mir gut.
Kooperation: Eine bewusste Entscheidnung mit Gewinn
Es ist eine bewusste Entscheidung: Ich gönne anderen ihren Erfolg. Ich freue mich für sie. Ich bleibe freundlich. Zu mir selbst und zu anderen. Denn ich weiß, dass Wohlwollen auf lange Sicht mehr bringt als Missgunst. Was Sie anderen entgegenbringen, kommt auf die eine oder andere Weise wieder zu Ihnen zurück. Und ja, es gibt einfach viele doofe Menschen und damit auch viele doofe und giftige Künstler. Das ist so und es wird vermutlich eher schlimmer. Bleiben Sie auch denen gegenüber immer so freundlich und entspannt wie möglich. Wenn es mal nicht klappt: Nicht schlimm. Krönchen richten und beim nächsten Mal besser machen. Vielleicht gefällt Ihnen das Lied, der Humor, der Pullover von der Person, die Sie eigentich doof finden? Sagen Sie es diesen Menschen einfach. Oder denken sie das im Stillen. Machen Sie ein Kompliment, wenn es passt und wenn Sie es ehrlich meinen. Das verbessert auch Ihre eigene Einstellung. Sie müssen das nicht mal laut aussprechen. Es entspannt und Sie bleiben souverän.
Mein Tipp: Wenn die negativen Gefühle Sie mal übermannen, holen Sie das Popcorn raus und betrachten Sie das Ganze wie einen Film aus dem Kinosessel. Die Gefühle gehen wieder vorbei. Und was können Sie aus ihnen über sich selbst lernen?
Bilden Sie Netzwerke
Ich bin davon überzeugt: Netzwerken ist extrem wichtig. Echtes Wohlwollen ist unbezahlbar. Konkurrenzkampf bringt Sie vielleicht kurzfristig weiter, aber langfristig gewinnen Sie durch Kooperation. Sie kennen noch mehr frustrierte Künstler? Bilden Sie eine Gruppe, schließen Sie sich zusammen. Gemeinsam sind Sie stärker.
Lassen Sie sich nicht vergiften. Arbeiten Sie mit anderen zusammen, anstatt sich mit ihnen zu messen. Und vergessen Sie nicht: Sie sind Ihr größter Verbündeter oder Ihr schärfster Kritiker. Sie haben es in der Hand. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!